SPD setzt Lieferkettengesetz durch :Transformation der Weltwirtschaft durch Menschenrechte

Veröffentlicht von Monica Schümer-Strucksberg 4. Juli 2021

Die SPD hat das neue Lieferkettengesetz erkämpft aus Respekt vor Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern weltweit.Am 11. September 2012 starben 258 Menschen in einem Brand in einer Textilfabrik in Karatschi, Pakistan. 32 Menschen wurden verletzt. Viele Fenster des Gebäudes waren vergittert, Notausgänge verschlossen. Nur eine Tür des Gebäudes war offen.

Hauptkunde der Fabrik war der deutsche Textildiscounter KiK. KiK erklärte, man habe die Fabrik regelmäßig prüfen lassen. Zivilgesellschaftliche Organisationen sind hingegen der Auffassung, dass KiK die Sicherheitsrisiken hätte kennen müssen und auf eine Besserung der Arbeitsbedingungen hätte hinwirken müssen. Welche Pflichten hatte KiK und wie konnte ihre Einhaltung sichergestellt werden? Das war unklar. Denn bislang sind allein Staaten verantwortlich für die Einhaltung und Umsetzung von Menschenrechten.

Licht und Schatten der Globalisierung.

Es ist eine Binsenweisheit: Unsere Welt ist im Zuge der Globalisierung in den letzten 20 Jahren näher zusammengerückt. Wir können beinahe grenzenlos reisen. Wir können günstig in alleWelt telefonieren. Wir können Produkte und Dienstleistungen, die in Asien, Lateinamerika oder Afrika hergestellt werden, bequem im Internet bestellen. Die Beweglichkeit von Gütern und Dienstleistungen ist Drehund Angelpunkt derWettbewerbsfähigkeit international tätiger Unternehmen. Sie könnenProduktionsstätten schnell dortaufbauenwo Lohnkosten niedrig sind. Sie können Vorprodukte und Rohstoffe aus Ländern einkaufen in denen Umweltstandards inexistentund die Rechte indigener Bevölkerungen ungeschützt sind. Sie können ihre Gewinne in Jurisdiktionenmit geringenSteuersätzenverlegen. Und so hat sich die Globalisierung zugleich zu einem großen Ungleichmacher entwickelt: Während westliche Gesellschaften von ihren dynamischen Effekten profitieren, hat sich in den Produktionsund Herstellungsstaaten ein „race to the bottom“ entwickelt. Ein Rennen um dengeringsten Schutzstandard vonArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, um dengeringsten Lohn und diegeringsten regulatorischen Anforderungen an die Umweltauswirkungen industrieller Produktion. So überrascht es kaum, dasszwischen 1999 und 2010lediglich 5% des weltweiten Einkommens, das durch jährliches Wachstum erzeugt wurde, an 60% der Gesamtweltbevölkerung gehen. Das sind Menschen, die unter 7,40 US$ pro Tag verdienen.

Die sozialdemokratische Vision: Unternehmen zur Einhaltungvon menschenrechtlichen Standards verpflichten.

Die SPD hat zu Recht erkannt, dass eine Welt in der Wenige davon profitieren, dass prekär beschäftigte und entrechtete Menschen unter mangelhaften Schutzstandards für sie arbeiten, ein Auslaufmodell sein muss. Die Menschheit kann die Herausforderungen unserer Zeit nur lösen,wenn sie alle mit Respekt behandelt und in gleicher Weise am produzierten Wohlstand teilhaben lässt.Aber die Ungleichheitist ist nicht nur eine Gefahr für das friedliche Zusammenleben der Völker, sie ist auch ein Angriff auf das von der Menschenwürde getragene Menschenbild der universalen Menschenrechte. Das Lieferkettengesetz ist deshalb aus gutem Grund ein zentraler Wegmarker hin zur sozialdemokratischen Vision einer Weltwirtschaft des 21. Jahrhunderts. Das Lieferkettengesetz läutet eine epochale Zeitenwende ein. Erstmals werden Unternehmen verpflichtet Vorsorge dafür zu treffen, dass sie selbst sowie dieFirmen in ihren Lieferketten bestimmte menschenrechtliche und umweltrechtliche Grundanforderungen erfüllen. Bislang machen das lediglich17% der deutschen Unternehmen auf freiwilliger Basis. Deshalb waren die Verhandlungen in der Großen Koalition hart. Das CDUgeführte Wirtschaftsministerium versuchte, das Gesetz zu verhindern. Unternehmensverbände liefen Sturm. Sie kritisierten, der Staat wolle seine eigene Verantwortung auf die Unternehmen abwälzen.Und doch: Noch in dieser Legislaturperiode wird das Lieferkettengesetz kommen allem Widerstand zum Trotz. Die SPD hat wieder einmal bewiesen, dass sie bereit ist, für ihre Überzeugungen zu kämpfen, und diese nicht zu Gunsten mächtiger Wirtschaftsinteressen opfert. Mit klarem Kompass hat sie die notwendigen Schritte umgesetzt hin zu einer gerechteren Welt, die beginnt ihre Ungleichheiten zu überwinden und die Vergessenen wieder in den Blick zunehmen. Darauf können wir stolz sein! Den Kritikern in den Wirtschaftsverbänden ist zu erwidern, dass Unternehmen, die von der globalisierten Beweglichkeit von Gütern, Kapital und Personen profitieren, auch eine Mitverantwortung dafür tragen, dass dies nicht zu Lasten derjenigen geschieht, die sich am wenigsten schützen können. Die Zeit in der sich Unternehmen hinter den Schutzpflichten der Staaten verstecken können, muss ein Ende haben.

Was steht drin im Lieferkettengesetz?

1. Erstmals werden große deutsche Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet grundlegende menschenrechtliche und umweltrechtliche Standards weltweit zu beachten.

2. Unternehmen müssen prüfen, ob durch ihr eigenes Handeln oder das Handeln ihrer Geschäftspartner menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken entstehen (sog. Risikoanalyse). Sie müssen Vorkehrungen treffen, dass solche Risiken minimiert werden (sog. Präventionsmaßnahmen)und sie müssen eingetretene Verletzungen beenden (sog. Abhilfemaßnahmen). Das kann auch die Pflicht zum Abbruch einer Geschäftsbeziehung bedeuten.

3. Eine schlagkräftige Aufsichtsbehörde überprüft die Einhaltung der Verpflichtungen. Sie kann empfindliche Bußgelder verhängen. Sie können unter Umständen bis zu zwei Prozent des durchschnittlichen weltweiten Jahresumsatzes des Unternehmens betragen. Auch können Unternehmen bis zu drei Jahren von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.

4. Unternehmen müssen ein Beschwerdeverfahren einrichten, dass es Betroffenen weltweit ermöglicht, einem deutschen Unternehmen menschenrechtliche Risiken und Verletzungen in seiner Lieferkette zu melden. Das Unternehmen muss den Hinweisen nachgehen.

Ein nächster Schritt: Ein Lieferkettengesetz auf EU Ebene!

Klar ist auch, dass das Lieferkettengesetz nur ein erster Schritt ist. Vielen zivilgesellschaftlichen Verbänden und den Gewerkschaften geht es nicht weit genug.Gerade deshalb ist die SPD weiter gefragt. Sie hat mit ihrem Einsatz bewiesen, dass sie die treibende politische Kraft ist für eine weitere Stärkung des sozialen und menschenrechtlichen Schutzniveaus von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern weltweit und zu Hause. Der SPD ist klar, das sohne faire Löhne und ohne eine gerechte Behandlung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Kampf gegen den Klimawandel nicht gelingen wird. Der nächste Schauplatz? Die EU Kommission hat angekündigt noch in diesem Jahr einen EUweiten Rechtssetzungsakt zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten vorzuschlagen. Die SPD muss und wird sich dafür einsetzen, dass Fabrikbrände in unsicheren Arbeitsund Produktionsstätten im globalen Süden der Vergangenheit angehören.

Autor: Jonas Hein